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Volksfeste beleben die Wirtschaft

Ob in Deutschland beim Karneval oder in Indien beim traditionellen Farbenfest: Wenn sich die Straßen mit feiernden Menschen füllen, ist das nicht nur ein Ausdruck von Tradition und Lebensfreude. Auch für Unternehmen, die den Menschen Speisen, Getränke und Unterkünfte zur Verfügung stellen, handelt es sich um ganz besondere Tage im Jahr. Manche Wirtschaftszweige sind sogar regelrecht auf die Volksfeste angewiesen.

SPRECHER:
Das Holi-Festival in Indien, der Karneval in Deutschland, der King’s Day in den Niederlanden. Drei gigantische Volksfeste – und ein echter Booster für die Wirtschaft. Wie stark profitieren Unternehmen davon? In Indien werden im Jahr geschätzt zehn Millionen Tonnen an Farben verkauft. Das passende Equipment fürs Fest stammt in letzter Zeit vermehrt aus Indien und nicht mehr aus China, das früher bis zu 75 Prozent der Waren stellte.

Das Zentrum des deutschen Karnevals liegt in Köln, im Westen Deutschlands, wo Hunderttausende im Februar in den Straßen feiern.

ANNE HELLER (Hotel- und Gaststättenverband Dehoga):
Karneval bedeutet für Köln tatsächlich: sechs Tage absoluter Ausnahmezustand. Obwohl es keine offiziellen Feiertage sind, haben die Firmen zum Beispiel am Rosenmontag nicht offen. Und jeder macht mit – oder ist nicht da. Also, es gibt auch die, die es nicht mögen, aber die verlassen Köln dann tatsächlich, weil es in Köln unmöglich ist, an Clowns oder Prinzessinnen und Krokodilen vorbeizukommen.

SPRECHER:
Verkleiden ist Tradition. Die geht auf solche Masken zurück, mit denen man böse Geister vertreiben wollte. So begann Karneval vor rund 2000 Jahren. Im Laufe der Zeit hat sich die katholische Kirche das Fest zu eigen gemacht. Es wird ein immer größeres Geschäft – mittlerweile milliardenschwer. Heute beläuft sich allein das Geschäft mit Kostümen auf mehr als 200 Millionen Euro. In Köln zum Beispiel sind die Hotels komplett ausgebucht, kosten 50 Prozent mehr als sonst. Am meisten Umsatz wird in der Gastronomie gemacht. Schätzungsweise 800 Millionen Euro werden durch Karneval zusätzlich generiert.

Was dem Deutschen sein Bier ist, ist dem Inder sein Bhang, um sich zu berauschen.

In den Niederlanden haben sie es beim King’s Day mit dem Alkohol etwas übertrieben. Deshalb gilt hier: pro Person nur ein alkoholisches Getränk in der Hand, keine Sixpacks mehr. Hier ist Orange angesagt, denn das ist die Farbe des Königshauses. Und am King’s Day wird sein Geburtstag gefeiert: König Willem-Alexander. Um die Menschen zu den Party-Hotspots zu bringen, gibt es zusätzliche Zugverbindungen in die Großstädte. An diesem Tag im April werden traditionell gigantische Flohmärkte veranstaltet. Jeder zweite Niederländer kauft dort etwas. Landesweit werden 290 Millionen Euro umgesetzt. Ein Zusatzgeschäft bringen die sogenannten Tompouce. Pro Bäckerei gehen bis zu 2000 Stück raus an einem Tag. Tompouce ist quasi das Gegenstück zu Gujiya in Indien. In Deutschland gibt es meist Bonbons. Die werden gerne von den Karnevalswagen umsonst verteilt. Und dann gibt es noch die Künstler, die bei solchen Festen – egal wo auf der Welt – gutes Geld verdienen.

ANNA HELLER:
Es gibt ja hier in Köln eine komplette Musikbranche, die vom Karneval lebt, also die von diesen sechs Tagen, vorher vielleicht noch ’n paar Wochen, davon lebt.

SPRECHER:
Karneval ist ein weltweites Phänomen. Es begann als europäisches Phänomen, unter anderem auch in Italien, genauer Venedig, wo Eleganz gefragt ist. „Wer trägt die schönste Maske?“, fragen sich die Leute. Von Europa wurde der Brauch in Kolonien wie Brasilien getragen, wo Musik und Extravaganz gefragt sind. Brasilien gilt als das größte Karnevalland der Welt.

ANNA HELLER:
Es kommen jedes Jahr mehr Menschen, weil … Man merkt natürlich auch, umso schlimmer die Welt außenrum wird, umso mehr freuen wir uns über die paar Tage Glückseligkeit, wo man wirklich ausgelassen sein kann.

SPRECHER:
Das Holi-Fest ist mittlerweile auch ein Exportschlager: Es wird in westlichen Ländern wie Frankreich als Farbenfest gefeiert – ohne den religiösen Hintergrund. Die Farben machen das Fest einfach noch besser.

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