Manuskript

Zu Besuch bei Friedensreich Hundertwasser

Der Künstler und Architekt Friedensreich Hundertwasser (1928–2000) war am liebsten in der Natur unterwegs. Wenn er in seiner Heimatstadt Wien war, hat er in einer alten Fabrik gewohnt und gearbeitet – und das Gebäude nach seinen Visionen umgestaltet. Noch heute zeigt das KUNST HAUS WIEN die bunte, fantasievolle Welt des Künstlers. Das Museum bietet dabei nicht nur Raum für zeitgenössische Kunst, sondern auch viele Überraschungen.
 

SPRECHER:
Hinter dieser Fassade verstecken sich allerhand Geheimnisse. Alexandra Matzner lüftet sie für uns.

ALEXANDRA MATZNER (Kunsthistorikerin):
Willkommen im KUNST HAUS WIEN, dem Hundertwasser-Museum. Ich bin Alexandra Matzner, Kunsthistorikerin, und begeistert von der Utopie, die Hundertwasser hier realisiert hat. Es ging ihm um Bauen, um Leben, um Feiern. Es geht ihm aber vor allem auch um die Natur. Wie kann man in der Stadt mit Pflanzen gemeinsam leben, arbeiten und das Leben genießen? Ich zeige euch heute ein paar Besonderheiten, die ihr sicher noch nicht gesehen habt. Kommt mit.

SPRECHER:
Die Österreicherin führt uns ganz nach oben auf das Dach des Hundertwasser-Gebäudes. Dorthin, wo sonst kaum jemand hindarf.

ALEXANDRA MATZNER:
Und jetzt zeige ich euch mein absolutes Highlight: Hundertwasser hat sich eine Wohnung auf dem Dach gebaut.

SPRECHER:
Diese Treppenstufen dürfen normale Museumsgäste nicht hinaufsteigen. Sie führen zu der ehemaligen Privatwohnung des Künstlers und Architekten. Nur, wer im Museum ausstellt, darf hier verweilen. Die US-amerikanische Fotografin Annie Leibovitz und der britische Musiker Paul McCartney waren schon hier.

ALEXANDRA MATZNER:
Hier hat Hundertwasser gelebt und gearbeitet, wenn er in Wien war. Hier hat er seine Architekturvisionen verwirklicht. Und ganz besonders wichtig war ihm, einen Wald zu haben. Den pflanzte er sich direkt vor seiner Haustür.

SPRECHER:
Der wohl kleinste Wald Wiens. Zwanzig Bäume auf einer Fläche von 220 Quadratmetern. Der Künstler hätte sich gewünscht, dass sogar Kühe hier weiden, weil er so gerne Milch trank. Nun, daraus wurde nichts. Die Behörden haben es nicht genehmigt.

ALEXANDRA MATZNER:
Hundertwasser liebte die Natur. Wenn er konnte, dann hat er sein Leben wirklich am Land verbracht, in sehr einfachen Häusern und umgeben von Wald, von Wasser, von Sonnenlicht. Und wenn er in der Stadt leben musste, dann hat er versucht, sich die Natur quasi ins Haus zu holen.

SPRECHER:
Das KUNST HAUS WIEN ist ein Upcycling-Projekt: Aus einer stillgelegten Möbelfabrik wurde ein Museum. 

ALEXANDRA MATZNER:
Jetzt zeige ich euch, wie Hundertwasser sein Museum konzipiert hat. Er hat eine alte Fabrik genommen von Thonet aus dem Jahr 1892 und hat sie zu seiner Architekturvision umgebaut.

SPRECHER:
Und [er hat] dabei rund 1.500 Quadratmeter Ausstellungsfläche geschaffen. 1991 wurde das KUNST HAUS WIEN eröffnet. Diese Etage ist mit 173 bekannten Werken des Architekten und Künstlers bestückt.

ALEXANDRA MATZNER:
Die Dauerausstellung im KUNST HAUS WIEN gibt einen guten Überblick über Leben und Werk von Hundertwasser. Hier sind die wichtigsten Bilder, die größte Ausstellung. Und vor allem: Er hat sie noch selbst eingerichtet. Alles ist authentisch: der Fußboden aus dem 19. Jahrhundert, die Wandbemalung.

SPRECHER:
Friedensreich Hundertwasser hat dabei auch Raum geschaffen für temporäre Kunst. Regelmäßig finden hier wechselnde Ausstellungen statt.

ALEXANDRA MATZNER:
Natur versteckt sich in diesem Haus überall, sogar hinter den Kunstwerken.

SPRECHER:
Hier wohnt ein Baum – einer von mehreren, die im ganzen Haus verteilt wachsen. Die Idee dahinter: Wenn wir Menschen der Natur mit Gebäuden ihren Lebensraum stehlen, müssen wir ihn ihr woanders zurückgeben. Typisch Friedensreich Hundertwasser.

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